I. Study Trip nach Ägypten

6.-14. Mai 2023 – Kairo & Alexandria

Sonntag, 7. Mai

Als erstes verschaffen wir uns einen Überblick:

Rauf auf den 187 Meter hohen Cairo Tower. Von oben hat man einen Rundumblick auf die 20-Millionen-Metropole am Nil. Wir sehen im Westen die Pyramiden von Gizeh, in allen Richtungen Wolkenkratzer und Highways. Erbaut wurde der Betonturm mit nur 14 Metern Durchmesser unter Präsident Nasser von 1956-1961.

Den Rest des Tages steht die Wirtschaft im Mittelpunkt. Ägypten ist mit rund 5 Milliarden Euro Gesamtvolumen Deutschlands zweitgrößter Handelspartner in Afrika (nach Südafrika).

In der German-Arab Chamber of Industry and Commerce geht es im Gespräch mit dem Korrespondenten der Germany Trade & Invest Sherif Rohayem auch um Chancen und Hindernisse bei Investitionen im Land. Beispielsweise liegt die aktuelle Inflationsrate infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine bei mehr als 30 Prozent. Trotzdem investieren deutsche Firmen wie Mercedes, HeidelbergCement oder

Leoni in Ägypten. Zum Werksbesuch bei Leoni geht es am Nachmittag. Country Manager und Managing Director Dr. Anis Kammoun berichtet, dass die Firma in Ägypten rund 5500 Mitarbeiter beschäftigt. Leoni stellt hier Kabelbäume u.a. für BMW und Jaguar her – in 8-Stunden – Schichten sechs Tage die Woche. Die heutige Schicht dauert extra für die Besucher aus Deutschland ein wenig länger.

Ihre ersten Eindrücke vom Study Trip besprechen die Teilnehmer auf einer Nil-Kreuzfahrt am Abend.

Montag, 8. Mai

Errichtet aus 3 Millionen Steinblöcken, jeder im Schnitt zweieinhalb Tonnen schwer, die Anordnung mathematisch exakt berechnet, das Innere bis heute
voller Geheimnisse – so steht sie da, die Cheops Pyramide. Ein 136 Meter hohes Bauwerk für die Ewigkeit und Top-Fotomotiv für alle Kairo-Besucher. Doch vor Pyramiden-Sightseeing und Dinner in der Wüste von Gizeh, 15 Kilometer außerhalb der Hauptstadt, bestimmt die Politik den zweiten Tag des Study Trip nach Ägypten.

Im wunderschönen Garten der deutschen Botschaft tauschten wir uns mit Botschafter Frank Hartmann über die aktuell schwierige Wirtschaftslage des Landes aus, über den Bürgerkrieg im südlichen Nachbarland Sudan sowie die engen Beziehungen zwischen Ägypten und Deutschland im Bereich Wissenschaft und Kultur. Besonders bei Bildung und Technologie ist Deutschland Vorbild, deutsche Schulen und Universitäten, genießen einen sehr guten Ruf. Doch der Einfluss des Westens, vor allem der USA, wird langsam schwächer im Land, die Rolle der Golf-Staaten besonders als Finanzier Ägyptens wächst.

Das wird auch beim Besuch der Arabischen Liga (22 Staaten mit 450 Millionen Einwohnern), die ihren Sitz am Tahrir-Platz in Kairo hat, deutlich. Botschafter Dr. Khalid bin Mohammad Al-Manzalawi spricht mit der Global Bridges Delegation bei einem Glas Tee über die Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga am Vortag unseres Treffens, den Krieg gegen die Ukraine sowie über den Nahostkonflikt.

Dienstag, 9. Mai

34 Regierungsgebäude, das (fast fertige) neue höchste Gebäude Afrikas, die größte Moschee, die größte koptische Kirche, ein nagelneues Bankenviertel, unzählige Büro- und Wohnhäuser, ein Park größer als der Central Park in New York: 60 Kilometer östlich von Kairo befindet sich gerade die größte Baustelle Ägyptens aller Zeiten (mehr als 700 Quadratkilometer).

Es entsteht eine neue Hauptstadt – die New Administrative Capital, durch die uns ein Team von Siemens führt. Erste politische Sitzungen finden dort schon statt, die Ministerien sollen bald nach und nach aus Kairo Downtown raus in die Wüste ziehen. Die geschätzten Gesamtkosten betragen 45 Milliarden Dollar, 8.5 Millionen Menschen sollen hier einmal leben können. Und gleich nebenan wird die Olympic City hochgezogen, mit Stadion, Sporthallen, Schwimmbecken, Tennisplätzen. Hintergrund: Ägypten träumt davon, als erstes afrikanisches Land die Sommerspiele 2036 auszurichten.

Klar ist jedenfalls: Das Land braucht Wohnraum. In den nächsten 40 Jahren wird sich die Einwohnerzahl laut Prognosen auf 210 Millionen verdoppeln.
Um die Millionen Arbeiter aus ihren Heimatstädten nach Kairo zu  transportieren, die Geschäftsleute von Kairo nach Alexandria und die Touristen
vom Roten Meer zu den Pyramiden entsteht ein neues „High Speed Rail Project” – gebaut von Siemens Mobility. Die Züge sollen bis zu 230 Kilometer pro Stunde fahren und 60 Bahnhöfe anlaufen. Die Fahrtzeit von Alexandria in die Hauptstadt soll sich halbieren, erzählt Projekt-Direktor Peter Papert der Delegation von Global Bridges. Bei Meetings mit den CFOs von Siemens, Siemens Mobility und Siemens Energy erfahren wir mehr über die zahlreichen interessanten Projekte des Unternehmens in Ägypten. Wenn das „High Speed Rail Project“ fertig ist, wäre zumindest ein Teil der alten Vision einer Schienenstrecke durch ganz Afrika, von Kairo nach Kapstadt, Wirklichkeit.

Mittwoch, 10. Mai

Nach einem Spaziergang durch die „Stadt der Toten“ (City of the Dead), von Menschen bewohnte Friedhofsbezirke am Ostrand Kairos unter fachkundiger
Führung von Agnieszka Dobrowolska, geht es um die Rolle der Frauen in Ägypten: Global Bridges ist zu Gast beim NationalCouncilForWomen der Regierung. Botschafterin Mona Omar und ihre Kolleginnen erläutern, wie sie insbesondereFrauen aus prekären ländlichen Lebensverhältnissen mit Mikrofinanzierung und Digitalisierung sowie bei häuslicher Gewalt helfen.

Politische Themen wie der Krieg gegen die Ukraine und die Migrationsströme aus dem Sudan werden später mit Alaa Thabet, dem Chefredakteur von
Ägyptens ältester (147 Jahre) und größter (Auflage von einer Million täglich, 1500 Journalisten) Tageszeitung Al-Ahram diskutiert. Die Delegation bekommt einen Rundgang durch Newsroom, Layout-Abteilung und Zeitungsmuseum.