Erster Study Trip nach Kenia und Ruanda

Nairobi – Kigali

25. August bis 2. September 2018

„Wir wollen keine Hilfe, wir brauchen Investitionen!“

Das Klischee eines Kontinents in Armut und Stagnation, aus dem nur die Flucht nach Europa ein besseres Leben ermöglichen kann, steht im Kontrast zu unseren Tagen in Kenia und Ruanda. Beide Länder erleben wir im Aufbruch. Neben Kapstadt und Lagos hat auch Nairobi eine lebhafte, wenn auch wenig kapitalisierte Start-up Szene, die sich „Silicon Savannah“ nennt. Daraus ist auch MPESA entstanden, mit dem noch jeder Feldarbeiter Geld empfangen und versenden kann. Auch Ruanda begreift die Digitalisierung als Chance. Das Investment von Volkswagen in eine CKD-Produktion in Kigali nimmt sich vor Ort im Vergleich zur Berichterstattung in den internationalen Medien bescheiden aus. Wegweisend ist aber das Carsharing-Modell, mit dem Volkswagen seine Mobilitätsdienstleistungen zu verstärken plant. Programmiert wurde die App dazu von einem jungen Entwickler aus Ruanda, der sich seine Fähigkeiten autodidaktisch mit Online Tutorials selbst beigebracht hat. Die Digitalisierung bietet für aufstrebende Länder wie Kenia und Ruanda enorme Chancen.

Mit rund $ 1.700 pro Jahr und Kopf ist Kenia schon ein Middle Income Country. Die Republik gilt als Stabilitätsanker Ostafrikas mit einer lebhaften Demokratie. Aus Kenia kommen praktisch keine Flüchtlinge nach Europa. Im Gegenteil: Das Land beherbergt selbst 400.000 geflüchtete Menschen.

Ruanda liegt mit $ 700 pro Jahr und Kopf noch deutlich darunter, hat aber höhere Wachstumszahlen und eine klare Entwicklungsstrategie. Ruandas Vorbild ist Singapur, jedoch mit einer autoritär herrschenden Regierung, die klare wirtschaftliche Ziele setzt und diese auch erreicht. Paul Kagame ist seit 1994 in einflussreicher Position, seit 2000 Präsident und durch eine Verfassungsänderung auch noch bis 2034 im Amt. Für die kommenden Wahlen erwarten wir keine Überraschung. Dass Politiker mit langer Amtszeit und ohne Opposition und freie Presse über die Zeit besser werden, wäre allerdings neu. In dieses Bild passt, dass Präsident Kagame als erklärter Fan des FC Arsenal mit £30 Mio. einen kleinen Aufnäher „Visit Ruanda“ sein Lieblingsteam sponsert. Der Haushalt von Ruanda wird wiederum zu einem Drittel von Geberländern (mit Deutschland auf Platz 4) finanziert.

Sprachlos macht in Kigali der Besuch des Genozid-Museums, wo den 800.000 Tutsi, die 1994 innerhalb von 100 Tagen beim Genozid in Ruanda getötet wurden, gedacht wird. Das Museum erinnert aber auch an das Versagen der Völkergemeinschaft, dessen Friedenstruppen UN AMIR beim Ausbruch der Gewalt nicht gestärkt, sondern Weisung bekamen, nicht einzugreifen. Außerhalb der Gedenkstätte wird das Thema nicht angesprochen. Auch wenn das Trauma von 1994 noch allgegenwärtig sein muss, ist das Thema ein Tabu.

Wie viele andere Staaten Afrikas wählen Kenia und Ruanda mittlerweile unter den Kompetenzen der Geberländer selber aus. Dabei verbleiben für Deutschland noch Soft-Themen wie Demokratieförderung, duale Ausbildung und Nachhaltigkeit. Infrastruktur wie Straßen, Schienen, Häfen und Energiewirtschaft werden von China im Zuge der „Belt and Road Initiative“ besetzt. Die Wertschöpfung in den Ländern ist überschaubar, aber umso größer die Verpflichtung zur Gegenleistung in Bezug auf Rohstoffe oder Marktzugänge. Wirkung hat das chinesische Engagement in jedem Fall.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hingegen lässt keine Verfolgung von strategischen Zielen erkennen. Dabei ergeben alle Gespräche mit kenianischer und ruandischer Seite ein klares Bild: Man möchte nicht unsere Ratschläge für eine bessere Demokratie, sondern unsere Investitionen. Dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, wäre ein wirksamer Beitrag, das enorme Potenzial Afrikas zu entfesseln, Fluchtursachen wirksam zu bekämpfen und eine vernünftige Industriepolitik zu betreiben.

Ein Indikator für die Wirtschaftsentwicklung ist der Verkehr. Wir kennen Stau, wir kennen Verkehrschaos und dann gibt es noch Nairobi. Für 8 km Distanz braucht man bis zu eineinhalb Stunden. Als öffentliches Verkehrsmittel gibt es nur verrückt lackierte Busse und auch die stehen im Stau, wenn sie nicht gerade über den Bürgersteig oder durch die Tankstelle fahren. Hingegen zeigt Ruanda auch an Kleinigkeiten seine Ambitionen, das Singapur von Afrika zu werden. Mopedfahrer tragen allesamt einen Helm, Verkehrsregeln werden beachtetet und insbesondere die aus Berlin angereisten staunen über die allgegenwärtige Sauberkeit. Was dem Schwaben seine Kehrwoche, ist dem Ruander sein „Umuganda“, ein monatlicher Gemeinschaftsdienst.

Das Land der 1.000 Hügel ist von einer sagenhaften Schönheit, die selbst weitgereiste Delegationsmitglieder insbesondere bei unserem Ausflug ins Hochland der Teeplantagen entzückt. Wir vermuten erhöhte Malariagefahr bei dieser Tour aufs Land. Wir taufen das Mückenspray aufgrund seines starken Odeurs als „Eau de Kigali“ und hoffen auf abschreckende Wirkung. Irrtum! Bei der Sowarthe Tea Factory angekommen, lernen wir, dass die Malaria-Gefahr auf deren Höhe von 2200 Meter über dem Meeresspiegel gleich Null ist. Wo denn jetzt die Risikogebiete seien? Antwort: „In Kigali, es liegt ja so viel tiefer.“ Aus einer Präsentation der Ruanda Business Agency erinnern wir einen tiefen Fall der direkten Auslandsinvestitionen in 2014, die mit dem in unseren Medien weithin berichteten Erscheinen der Ebola Epidemie begründet wurde. Ein weiterer Irrtum: Seit 1976 starben in Afrika insgesamt 11.000 Menschen an Ebola, aber 500.000 jedes Jahr an Malaria. Letzteres wird in Europa im Gegensatz zu Ebola kaum publiziert.

Die Liste der Überraschungen kann noch beliebig verlängert werden. Der einzige Weg sie zu vervollständigen ist einmal mehr: „Wir fahren hin.“