USA – Russland – EU: Koordinierte Umsetzung der Pariser Klimaziele

Nach dem Wiedereintritt der USA in das Pariser Klimaabkommen und den klimapolitischen Entwicklungen der letzten Jahre ist das Thema der effizienten Umsetzung der Klimaziele von großem Interesse. Global Bridges veranstaltete hierzu ein Video-Symposium mit Professor Dr. Klaus Töpfer, langjähriger Bundesumweltminister sowie Gründungsdirektor und früherer Exekutivdirektor am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam. Sigmar Gabriel, ebenso ehemaliger Umweltminister sowie früherer Vizekanzler und heutiger Vorsitzender der Atlantik-Brücke e.V., und Cem Özdemir, Mitglied des deutschen Bundestages für Bündnis 90 / Die Grünen und Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur, nahmen als Diskutanten teil. .Das Symposium wurde von Professor Dr. Friedbert Pflüger, Managing Partner bei Bingmann Pflüger International GmbH und Global-Bridges-Mitglied moderiert. Auf Seiten von Global Bridges nahm außerdem Dr. Beate Lindemann, Geschäftsführende Vorsitzende des Vereins teil. Mehr als 100 Mitglieder und Young Leader Alumni hatten sich angekündigt.

Zu Beginn begrüßte Dr. Lindemann alle Teilnehmer, erläuterte die Wichtigkeit des Themas und ging auf den Werdegang von Professor Pflüger ein. Dieser bedankte sich herzlich und erwähnte die ambitionierten Zielsetzungen der EU, USA und Russlands, die bis 2030 ihren CO2-Ausstoß stark reduzieren wollen. Auch erläuterte er die Geschichte der Energiepartnerschaft Deutschlands und Russlands, die trotz aller Unstimmigkeiten zwischen Ost und West seit dem frühen Kalten Krieg bestehe und gab im Anschluss das Wort an Professor Töpfer weiter.

Professor Töpfer wies zu Beginn seiner Rede darauf hin, dass der Wille zum Wandel insbesondere bei Präsident Biden stark sei und man deswegen diese Gelegenheit ausnutzen müsse, um den Klimaschutz voranzutreiben. Der Klimaschutz müsse als globales Projekt verstanden werden, in dem die EU mit Russland und den USA zusammenarbeiten müsse. Die EU mache sich im Übrigen durch ihre Energieimporte nicht abhängig von Russland, im Gegenteil: Die Exporte in die EU machen mehr als die Hälfte der russischen Exporte aus, damit sei Russland, auch mit Hinblick auf die sehr kurze inländischen Wertschöpfungsketten im Energiebereich, eher abhängig von der EU. Nun, da voraussichtlich immer weniger Erdöl aus Russland gebraucht werde, würde sich Präsident Putin nach neuen Möglichkeiten zur Energieerzeugung umschauen, wie zum Beispiel Wasserstoff. Das Thema Klimawandel sei nun auch in Russland angekommen.

Die Wasserstoffproduktion sei im Moment noch sehr teuer, die Weiterentwicklung dieses Zweigs sei also eine Priorität, wobei kostengünstiger „grüner“ Wasserstoff, also Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien hergestellt würde, das Ziel sein müsse. Wasserstoff werde durch die Spaltung von Wasserstoff enthaltenden Substanzen wie zum Beispiel Wasser oder aber auch Methan erzeugt. Dabei brauche es nicht nur globale, sondern auch interdisziplinäre Zusammenarbeit, insbesondere von Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch von Sicherheitspolitik, die direkt mit dem Thema in Verbindung stände.

Sigmar Gabriel merkte zu Beginn seiner Rede an, dass er mit Professor Töpfer komplett einer Meinung sei, was die Dringlichkeit des Klimaschutzes angehe und sich ebenso eine bessere Zusammenarbeit von EU, Russland und USA zu dem Thema wünsche. Schon in seiner Zeit als Umweltminister habe er den Zauderern in der Klimapolitik vermittelt, dass die Energiewende positive ökonomische und soziale Auswirkungen habe und der Wirtschaft nicht zu Lasten fallen werde. Es sei in diesem Punkt wichtig, von endlichen auf unendlich verfügbare Ressourcen wie Wind- oder Solarenergie umzusteigen. „Grüner“ Wasserstoff hingegen, den Gabriel als „Champagner der Energiepolitik“ bezeichnete, werde aufgrund seines hohen Preises in vorhersehbarer Zeit erst einmal in der Industrie verwendet werden. Die Elektromobilität beschränke sich also für absehbare Zeit auf Batteriezellen.

Russland habe großen infrastrukturellen und industriellen Modernisierungsbedarf und sei außerdem stark von fossilen Brennstoffexporten abhängig. Da der Erdöl-, und langfristig auch Erdgasbedarf in Zukunft stark zurückgehen würden, müsse das Land über Alternativen nachdenken. Die Europäer, die gleichzeitig aus Kohle- und Kernenergie aussteigen, hätten nicht genügend Kapazitäten, um grünen Wasserstoff herzustellen und würden von einem Ausbau der Kapazitäten im Ausland profitieren. Auch wegen der Wichtigkeit guter Beziehungen zu Russland seien stabile und vertraglich untermauerte Wirtschaftsbeziehungen wünschenswert. Das Thema berge jedoch großes Spaltungspotenzial innerhalb der EU, da sich die osteuropäischen Länder zunehmend von Russland bedroht fühlen würden und auch in den westeuropäischen Ländern die Politik Russlands auf Unbehagen stoße. Als beispielhaft hierfür bezeichnete Gabriel Nord Stream 2, das, obwohl es verglichen mit einem europäisch-russischen Green Deal ein kleines Projekt sei, international kritisiert werde und zeitweise kurz vor dem Abbruch stand. Auch könne man nicht russische Modernisierungsversuche subventionieren, gleichzeitig aber die Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten. Die Kernfrage der Debatte sei also, ob die Klima- und Energiepolitik die Möglichkeit biete, die internationalen Beziehungen zu verbessern, oder ob solche Versuche die Menschenrechtspolitik der EU zunichtemachen würden.

Als nächstes sprach Cem Özdemir, der für eine umfassende Energiewende argumentierte, eine europäisch-russische Lösung jedoch aufgrund der Menschenrechtslage in Russland und Belarus für ungeeignet hielt. Man solle sich eher mit Partnern wie den USA zusammentun, die demokratische Werte teilen würden. Er wünschte sich weniger „Wattebäuschchenweitwurf“ im Auswärtigen Amt, man müsse stattdessen Strafen gegen Staaten wie Belarus, Russland und die Türkei verhängen, weil dies die einzige Sprache sei, die Diktatoren wie Putin, Lukaschenko und Erdoğan sprechen und verstehen würden. Die Invasion der Krim, der andauernde Bürgerkrieg in der Ukraine sowie der internationale russische Staatsterrorismus und Wahleinmischungen seien klare Anzeichen dafür, dass man gegenüber Putin keinen Zentimeter zurückweichen dürfe. Man müsse jedoch die Menschen, die in solchen Ländern leben, verschonen und, wie Willy Brandt es in den 1970er Jahren getan hat, zusammen mit Partnerländern auf eine Liberalisierung dieser unfreien Systeme hinarbeiten.

Deutschland müsse in puncto Klimapolitik als Beispiel vorangehen. Das Entstehen von wirtschaftlichen und sozialen Problemen in der Energiewende müsse vermieden wären, denn nur so werde solch ein Vorgehen Nachahmer in anderen Ländern finden. Wasserstoff sei eine Ressource, die aufgrund des ineffizienten Herstellungsprozesses nur sehr begrenzt einsetzbar sei; besonders was Kraftfahrzeuge angehe müsse man auf Batteriebetrieb setzen. Er merkte an, dass in Russland hergestellter Wasserstoff zwangsläufig mit Kernenergie oder noch klimaschädlicheren Energiequellen hergestellt würde, was den positiven Klimaeffekt zunichtemache.

Auf die Zweifel der Diskutanten bezüglich der Verwendung von Wasserstoff als Energieträger antwortete Professor Töpfer, dass man auch früher die Solarenergie belächelt habe, der Preis von Solarstrom jedoch durch intensive Forschung auf ein Hundertstel des Originalpreises gesunken sei. Er wies ebenso den Vorwurf zurück, dass er sich zu sehr auf die Zusammenarbeit mit Russland konzentriere. Er setze sich schon seit geraumer Zeit für die globale Zusammenarbeit, auch mit den USA und Afrika, ein. Besonders Afrika berge großes Potenzial, weil die dortigen Kapazitäten für die Solarstromerzeugung gut für die Herstellung von Wasserstoff verwendet werden könne. Da herkömmliche Stromkabel für den Transfer von Strom nach Europa ineffizient seien, müsse man dieses Problem mit dem einfach zu transportierenden Wasserstoff lösen.

Botschafter Professor Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, meldete sich daraufhin kurz zu Wort. Im Verhalten gegenüber Russland habe die EU in den letzten Jahren Schwäche gezeigt, da sie keine Außenpolitik in Einbezug aller Interessensgebiete gemacht habe. Auch habe sich die EU von Russland spalten lassen, was ein gemeinsames, starkes Auftreten unmöglich mache. Im Kalten Krieg habe man mit der UdSSR aus einer Position der relativen Stärke und Einigkeit verhandeln können und konnte sich auch darauf verlassen, dass man als Verhandlungspartner ernst genommen wurde. Diese Voraussetzungen seien schon seit geraumer Zeit nicht mehr gegeben. Bevor ernsthafte Verhandlungen mit der Russischen Föderation stattfinden könnten, müsse Europa stärker und selbstsicherer agieren.

Sigmar Gabriel stimmte Wolfgang Ischinger zu und sagte, dass nur ein solidarisches Auftreten Europas in Verhandlungen mit Russland zu anhaltendem Respekt führen werde. Europa setze sich zu kleine Ziele, und selbst diese würden nicht oder nur teilweise erreicht. Beispielhaft hierfür stehe das Freihandelsabkommen mit Kanada, das seit vier Jahren noch nicht ratifiziert sei. Sich auf einen Artikel der ehemaligen Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer in der Berliner Zeitung beziehend forderte er einen gewissen Spielraum im Umgang mit Russland. Es sei notwendig, dass sich die EU mit Russland arrangiere; hierfür brauche man Zeit und Geduld. Auch die Ostpolitik im Kalten Krieg habe sich erst langsam entfaltet, aber nur wegen ihr habe man zusammen an Problemen wie der nuklearen Proliferation arbeiten können. Russland immer nur mit erhobenem rechten Zeigefinger zu tadeln, würde langfristig nur dazu führen, dass Russland immer weiter in die Abhängigkeit von Chinas getrieben werde.

Klaus Töpfer schloss sich Sigmar Gabriel an und sagte, dass man die Gründe für die Schwäche Europas ausloten müsse. Die gegenseitige Abhängigkeit Russlands und Europas in Bezug auf Energieexporte müsse zur Verbesserung der Beziehungen verwendet werden. Durch gemeinsame Projekte wie der Wasserstoffproduktion könne man außerdem eine Verhandlungsbasis schaffen, mit der ein Hinarbeiten auf bessere Beziehungen möglich sei. Zum Thema Kernenergie sagte Töpfer, dass sie keine global einsetzbare Energiequelle sei, da Länder des globalen Südens zu großen Teilen nicht die Kapazitäten hätten, Kernkraftwerke sicher zu betreiben. Daher müsse man geeignetere Optionen wie zum Beispiel Solarenergie verwenden. Allgemein sollten Technologien funktional auf die Bedingungen in den verschiedenen Erdteilen angepasst werden. Über diese und andere Themen könne man eine zweite Veranstaltung in einem ähnlichem Rahmen ausrichten.

Zum Ende dankte Professor Pflüger den Teilnehmern und Global Bridges für die Ausrichtung dieses wirklich interessanten Symposiums.