Wie ist eine klimagerechte Energieversorgung in ihrer sicherheitspolitischen Konsequenz zu bewerten?

Am 30. November fand das II. Global Bridges Klima-Symposium zum Thema „Wie ist eine klimagerechte Energieversorgung in ihrer sicherheitspolitischen Konsequenz zu bewerten?” statt. Als Redner nahmen Professor Dr. Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister und ehemaliger Exekutivdirektor des Institute For Advanced Sustainability Studies in Potsdam, sowie Botschafter Professor Dr. h. c. Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, teil. Der ehemalige Vizekanzler und Bundesminister Sigmar Gabriel war leider kurzfristig verhindert.

Die Geschäftsführende Vorsitzende von Global Bridges, Dr. Beate Lindemann, begrüßte die Teilnehmer und Redner. Sie hob den Zeitpunkt des Symposiums hervor, welcher sehr passend kurz nach dem Ende der Weltklimakonferenz in Glasgow und vor dem Hintergrund der anhaltenden „Fridays-for-Future“-Demonstrationen gewählt wurde. Die hohe Teilnehmerzahl zeuge nicht nur von dem großen Interesse der Global Bridges Mitglieder an klimapolitischen Fragestellungen, sondern spiegele auch die Relevanz des Themas wider.

Der Moderator des Symposiums, Professor Dr. Friedbert Pflüger, wies darauf hin, dass insebesondere die sicherheitspolitischen Aspekte der Klimapolitik ein wichtiger Themenkomplex für die neue Bundesregierung sei. Die Energiewende – und somit auch eine klimagerechte Energieversorgung – habe enorme sicherheits- und außenpolitische Konsequenzen, insbesondere mit Bezug auf die Beziehungen zu den Exportstaaten fossiler Brennstoffe. In Zukunft würden sich die Import/Export-Strukturen mit den traditionellen Energiepartnern Deutschlands grundlegend verändern. Neue Energiestrukturen, wie zum Beispiel E-Mobility, würden zur selben Zeit neue Abhängigkeiten von kritischen Rohstoffen und seltenen Erden schaffen.

Professor Töpfer betonte, dass die Erkenntnis, Energie habe sicherheitspolitische Konsequenzen, bereits seit vielen Jahren bekannt sei. Die politische Landkarte verändere sich parallel zur Energiestruktur. Wertschöpfungsketten seien heutzutage nicht mehr an die Rohstoffe an sich gebunden, sondern an das Wissen über die Nutzung von Energie. Professor Töpfer wies darauf hin, dass Auseinandersetzungen meist darauf zurückzuführen seien, dass Energiewechsel auch eine Strukturveränderung mit sich führe und die daraus resultierenden Wertschöpfungsketten auch den Wohlstand der Menschen veränderten. Vor dem Hintergrund, dass die Regierungen von Förderländern, wie beispielsweise Russland, in erheblichem Maße von dem Export fossiler Energie profitieren, warnte Professor Töpfer vor dem Wegfall dieser Einnahmequellen für die politische Stabilität in diesen Ländern. Daher sei auch ein Importland wie Deutschlands mittels seiner Nachfrage nach erneuerbaren Energien aus anderen Ländern in der Lage, geopolitische Gegebenheiten zu verändern. Als Rückschluss daraus könne Klimapolitik auch nicht aus nationalstaatlicher Sicht allein betrachtet werden.

Vor dem Hintergrund der Nominierung von Annalena Baerbock für das Amt der Außenministerin in der neuen Bundesregierung erinnerte Botschafter Ischinger daran, dass ein Grünen-Politiker an der Spitze des Auswärtigen Amts kein Novum sei. Mit Joschka Fischer sei die Thematik der Klima- und Umweltpolitik schon einmal in die außenpolitischen Bemühungen der Bundesregierung integriert worden. Auch die Agenda der Münchner Sicherheitskonferenz spiegele schon seit Längerem wider, dass Klima ein unverzichtbarer Teil der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik ist. Botschafter Ischinger betonte zudem, dass eine konsequente Klimaaußenpolitik das Verfolgen zweier Ziele beinhalte: Zum einen solle sie dem Ziel dienen, andere davon zu überzeugen, dass unsere klimapolitischen Ziele sinnvoll und richtig sind. Nur dann würden auch multilaterale Bemühungen folgen. Zum anderen beinhalte eine konsequente Klimaaußenpolitik auch das Abwägen von Risiken. Beispielsweise würde das Destabilisierungsrisiko jener Länder, die zukünftig gefragte Energiequellen – wie Kobalt, Lithium oder andere seltenen Erden – abbauen, aufgrund neuer Abhängigkeiten stetig wachsen. In Anbetracht der Größe dieser Herausforderungen und des Ehrgeizes der neuen Bundesregierung auf diesem Gebiet sei es unbedingt erforderlich, die gesamte Europäische Union hinter den deutschen Bemühungen zu vereinen.

Professor Pflüger bedankte sich bei den Rednern für ihre Einführungen in das Thema und lenkte das Augenmerk der Teilnehmer auf den Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung, in dem eine Klimazusammenarbeit mit Russland vorgesehen sei. Als Beispiel dafür, wie die deutsche Energiepolitik friedenstiftende wirken könnte, nannte er den deutsch-sowjetischen Erdgas-Röhrenvertrag von 1970 und seine vertrauensbildenden Rolle. Eine Frage, die sich stelle sei, ob die zukünftige Energieaußenpolitik der Bundesregierung ebenfalls eine friedensstiftende Wirkung durch eine Klimazusammenarbeit mit Russland haben könnte?

Professor Töpfer wies auf eines der Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Glasgow hin, nämlich die gemeinsame Verpflichtung Russlands, Chinas und der USA zur Verringerung ihrer Methanemissionen. Dies sei also ein Feld, in dem bereits jetzt eine Klimazusammenarbeit beschlossen wurde. Er betonte zudem, dass sich die neue Bundesregierung zweifellos mit der Frage beschäftigen würde, inwieweit man die grüne Energie Russlands gezielter aufgreifen könne. Ein wichtiger Punkt hierbei seien Investitionen in die Forschung, die bereits in der Vergangenheit dazu geführt haben, dass Solarenergie deutlich preiswerter von den Konsumenten zu erwerben sei. Auch in Zukunft könnten technologische Fortschritte dazu führen, dass beispielsweise Batterien ohne Lithium oder andere seltenen Erden hergestellt werden könnten.

Professor Pflüger eröffnete daraufhin die Fragerunde mit den Teilnehmern. Vor dem Hintergrund der enormen Kosten einer industriell skalierten Wasserstoffproduktion drehte sich die erste Frage darum, auf welchen Energieträger Deutschland perspektivisch setzen solle. Professor Töpfer wies darauf hin, dass Deutschland noch nie energieautark gewesen sei und auch in Zukunft auf Energieimporte angewiesen sein werde. Die Redner stimmten in dem Punkt überein, dass die Energiemärkte der Zukunft deutlich heterogener und dezentraler sein werden. Die verwendeten Techniken müssten dabei allerdings globalisierungsfähig und weniger kapitalintensiv sein, damit sie auf der ganzen Welt eingesetzt werden können. Beispielsweise sei Japans Forschung zur Entwicklung der Brennstoffzelle weiter fortgeschritten und könnte daher als Vorbild für Deutschland dienen. Der Koalitionsvertrag sei eindeutig in der Feststellung, dass der Wiedereinstieg in die Kernenergie unter der zukünftigen Regierung nicht stattfinden würde. Professor Töpfer betonte allerdings, dass dies eine politische Entscheidung sei und es außerhalb Deutschlands durchaus Tendenzen zur Nutzung von Kernenergie gäbe. So setzten die USA und die baltischen Staaten auf neue Technologien und Energiequellen auf diesem Gebiet wie zum Beispiel auf den Small Modular Reactor (SMR).

Mit Bezug auf die zuvor angesprochene Klimapartnerschaft mit Russland wies Botschafter Ischinger darauf hin, dass die „strategische Großwetterlage“ eine vertiefte Kooperation mit Russland derzeit ausschließe. Er forderte daher, dass Deutschland primär die eigenen Partner in der Europäischen Union davon überzeugen müsse, dass ein Dialog mit Russland sinnvoll und notwendig sei. Professor Pflüger unterstrich die Verkrampftheit der Beziehungen zu Russland, zog allerdings als Rückschluss, dass eine Vertiefung des Dialogs dringender denn je sei.

Die nächste Frage bezog sich auf das Einbinden des Privatsektors in die Energietransformation. Zu häufig würde Klimaaußenpolitik allein aus staatlicher Sicht gesehen. Jedoch würde solch ein tiefgreifender struktureller Wandel wie die Energiewende auch Modernisierungspartnerschaften und neue ökonomische Allianzen erfordern. Wie können also privatwirtschaftliche Akteure eingebunden werden? Die Redner wiesen auf die Wichtigkeit hin, private Investoren in den Prozess mit einzubeziehen und gewisse politische und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine solch grundlegende Transformation ermöglichten. Die aktuelle Diskussion um Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens sei dabei ein entscheidender Punkt, nicht zuletzt weil die Klimakonferenz in Madrid vor zwei Jahren an dem Thema Kompensation und Partnerschaften gescheitert sei. Artikel 6 sieht neben der zwischenstaatlichen Kooperation auch Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Unternehmen vor. Diese müssten jetzt aber zügig definiert werden.

Vor dem Hintergrund der Energie- und Mobilitätswende drehte sich die Folgefrage um die Durchführbarkeit des Koalitionsvertrags. Es wurde darauf hingewiesen, dass rund 230.000 Elektroladesäulen benötigt würden, um dem Ziel gerecht zu werden, in der nächsten Dekade 15 Millionen Elektroautos zuzulassen. Professor Töpfer betonte, dass marktwirtschaftliche Prozesse technologische Innovationen hervorbringen würden, die solche Engpässe abmilderten. So könnten Batteriewechselstationen die Lebenslaufzeiten von Batterien verlängern und damit Lithium und andere seltenen Erden einsparen.

Die letzte Frage drehte sich um das Thema Versorgungssicherheit. Es wurde als problematisch angesehen, dass das Koalitionspapier zwar Vorgaben zum zukünftigen Energiemix aus erneuerbaren Energien enthalte, aber das Thema Dunkelflauten nur bedingt aufgreife. Wie kann also Versorgungssicherheit garantiert werden, wenn Grundversorger die Kraftwerke selbst während Dunkelflauten bevorraten müssen? Eine der offensichtlicheren Speichertechniken sei die Batterie, die fortlaufend technisch weiterentwickelt würde. Professor Töpfer sprach zudem die Produktion von grünen Wasserstoff zur Speicherung von Energie an. Man könne für den Import von Solarenergie von dem afrikanischen Kontinent Wasserstoffspeicherung über Methanol oder Ammoniak nutzen. Die USA und Japan seien jetzt schon auf dem besten Weg, zu einer Wasserstoffgesellschaft zu werden.

Anschließend bedankte sich Professor Pflüger bei Frau Dr. Lindemann für die Organisation der Veranstaltung und bei den Teilnehmern für die interessante Diskussion und die zahlreiche Teilnahme. Zusammenfassend verwies er auf das gemeinsame Ziel, eine „realitätsnahe“ Energiewende, frei von Ideologie und Dogmatismus anzustreben und umzusetzen. Geopolitische Abhängigkeiten müssten vermieden werden. Gleichzeitig bedarf es auch bei erneuerbaren Energien einer gewissen Diversifizierung. Der Aufbau von Energiepartnerschaften sei nicht nur für die Bewältigung des Klimawandels von entscheidender Bedeutung, sondern auch als vertrauensbildende und friedensstiftende Maßnahme innerhalb der internationalen Gemeinschaft von großer Wichtigkeit.