XXXVIII. Berlin Global Forum

Berlin, Deutschland

16. Januar, 2020

Der XV. Global Bridges Study Trip to China & Hong Kong liegt bereits drei Monate zurück, höchste Zeit für ein Update. Im privaten Kreis erhielten unsere Mitglieder am 16. Januar eine ungefilterte Einschätzung der aktuellen Situation in China und Hong Kong durch einschlägige Experten. Zum hochrangigen Diskussionspanel gehörte Wolfgang Niedermark, Delegierter der Deutschen Wirtschaft und Leiter der AHK Hong Kong, Johnny Erling, mehr als 40 Jahre in China davon 22 Jahre als China-Korrespondent, unter anderem für Die Welt, tätig, und Robert von Rimscha, Generalkonsul in Chengdu bis Oktober 2019 und zuständig für Südwest-China. Moderiert wurde die Veranstaltung von Global Bridges-Mitglied, Autor und Storyteller, Veit Etzold.

Als anerkannter Hong Kong-Experte empfindet Wolfgang Niedermark die Stadt als politischen und sozialen Vulkan, der mit beharrlicher Regelmäßigkeit ausbricht. Nichtsdestotrotz sei der Ausbruch 2019 für alle Beobachter überraschend gekommen, was sowohl in der Gesellschaft als auch in der Wirtschaftscommunity Beunruhigung ausgelöst habe. Auch wenn die Menschen in Hong Kong alle Bürgerrechte genießen, mache sich Frustration über die Regierung und anhaltende Ungleichheit breit, so Niedermark. Auch Angst vor der Kontrolle in allen Lebensbereichen durch die Kommunistische Partei (KP) habe das Klima in der Stadt vergiftet. Im Moment sei es ruhig, aber Hong Kongs Zukunft bleibe weiterhin ungewiss. Gleichzeitig ist sich Niedermark sicher, dass Peking kein Interesse daran habe, Hong Kong „mutwillig zu zerstören“, da es nach wie vor zu wichtig für Chinas Kapitalverkehr sei, insbesondere solange Shanghai diese Rolle nicht erfüllen könne.

Dank seiner langjährigen China-Expertise konnte Johnny Erling unseren Mitgliedern einen facettenreichen Blick hinter die Kulissen der chinesischen Politik geben und Aktuelles sowie Grundsätzliches greifbar machen. Konkret machte er am Beispiel der Belt and Road Initiative deutlich, dass die „Neue Seidenstraße“ größtenteils chinesischen Firmen Vorteile bringe und nicht zum Wachstum der Weltwirtschaft beitrage. China nutze die Initiative, um geostrategisch bedeutende Staaten durch Kredite und Entwicklungszusammenarbeit in seine Abhängigkeit zu bringen.

Robert von Rimscha sprach in seinem Vortrag von der Stadt Chongqing, dessen wirtschaftliche Entwicklung mit der von gesamt China vergleichbar sei. Am Beispiel des starken Einbruchs der Automobilbranche in Chongqing thematisierte er den Rückzug der Bevölkerung aufs Land und die damit einhergehenden Versorgungsprobleme sowie Arbeitslosigkeit und Sozialstaatsprobleme. Zudem führe der Wachstumsrückgang der chinesischen Wirtschaft zu einer Verstaatlichung privater Unternehmen. Zur Belt and Road Initiative sagte er: „Die Phantasie der Belt and Road Initiative lebt und zieht immer noch Unternehmen an“. Zudem würde China gezielt bilaterale Verhandlungen mit EU-Mitgliedstaaten über die Teilnahme an der Initiative führen, um so die starke einheitliche Verhandlungsposition der EU zu schwächen.

In der anschließenden Diskussionsrunde nutzten unsere Mitglieder die Möglichkeit, Fragen an die Vortragenden zu stellen. Dabei machte Johnny Erling deutlich, dass China nicht „weltabgeschlossen“ sei und aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion die richtigen Schlüsse für seine eigene Wirtschaft gezogen habe und es noch immer tut. Die Wahrnehmung der chinesischen Wirtschaft sei in Deutschland stark von einigen wenigen hypermodernen Unternehmen geprägt. Allerdings müsse man China in der Realität eher als „verlängerte Werkbank“ sehen, so Robert von Rimscha. Die Frage, ob Europa in Sachen langfristige Planung nicht von den Chinesen lernen könne, wurde von den Panelisten deutlich beantwortet: China habe ein grundlegend anderes System als Europa, und diese beiden Systeme seien nicht miteinander kompatibel.