Video Call zwischen Global Bridges und dem China Institute for International and Strategic Studies (CIISS)

 15. Oktober 2020

Nach dem ersten chinesisch-deutschen Videosymposium am 19. September äußerte die chinesische Seite den Wunsch, die Probleme zwischen Deutschland und China und zwischen der EU und China, zunächst im kleinen Kreis, vor dem zweiten Videosymposium im November zu besprechen. Der Video Call fand am 15. Oktober statt und auf chinesischer Seite waren Generalmajor (i.R.) XU Nanfeng, Stellvertretender Vorsitzender des CIISS, sowie Oberste (i.R.) CHEN Wei, BAI Zonglin und YU Hanmin, die alle Senior Research Fellows am CIISS sind, zugegen. Auf deutscher Seite sprachen Professor Dr. h.c. Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, und Jörg Wuttke, Vizepräsident und Hauptvertreter von BASF in China sowie langjähriger Präsident der Europäischen Handelskammer in China. Die Diskussion wurde von Dr. Hans Albrecht, Vorsitzender von Global Bridges, und Dr. Beate Lindemann, Geschäftsführende Vorsitzende von Global Bridges, moderiert.

Nach den Begrüßungen führte Wolfgang Ischinger das Thema ein und betonte, dass die deutsch-chinesischen Beziehungen für beide Länder so wichtig seien wie nie zuvor. Als Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz lobte er die produktive Teilnahme von China an der Konferenz und gab zu verstehen, dass die nächste Konferenz, COVID-19 zum Trotz, im Februar 2021 stattfinden würde. Obwohl die Zusammenarbeit mit China bedeutend sei, gebe es eine Reihe von Problemen zwischen China und der EU, insbesondere bezüglich der Menschenrechtssituation in China, die in den letzten Jahren zu Spannungen geführt hätte. Ein Beispiel für diese Probleme sei die Einführung der Sicherheitsgesetze in Hongkong. Außerdem gebe es Befürchtungen bezüglich der Beteiligung von chinesischen Firmen wie Huawei am Ausbau des 5G-Netzes in Europa.

Prof. Ischinger bemerkte, dass sich die Sicht auf China in Deutschland und der EU wegen dieser Probleme ändere. Wo China einst als Partner und vielversprechender Exportmarkt gesehen wurde, werde es heute offiziell von der EU-Kommission und der deutschen Regierung als systemischer Rivale beurteilt. Dies mache offenen Dialog noch notwendiger als vorher, um die Probleme in der deutsch-chinesischen Beziehung zu meistern.

Generalmajor (i.R.) XU Nanfeng dankte Prof. Ischinger für seine ehrliche und prägnante Beurteilung der Situation und merkte an, dass es seit der deutschen Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft Versuche gegeben hätte, die Chinapolitik der EU zu ändern.

Jörg Wuttke, der mehr als 30 Jahre in China gelebt hat, betonte die Wichtigkeit der Handelsbeziehungen zwischen der EU und China. Zum ersten Mal sei China ein größerer Handelspartner für die EU als die Vereinigten Staaten, außerdem berge der chinesische Markt großes Potenzial für den EU-Exportsektor. Europäische Firmen zeigten mehr Bereitschaft, in China zu bleiben, als in früheren Jahren. Die umfangreichen Investitionen von Firmen wie BASF seien ein Zeichen dafür, dass engere Handelsbeziehungen mit China erwünscht seien.

Auf der anderen Seite seien aber deutsche Firmen auch wegen ihrer Geschäftstätigkeit in China unter Druck von der deutschen Öffentlichkeit. So werde BASF als größter Investor in Xinjiang wegen der Menschenrechtsverletzungen in der Region kritisiert. Während 2002 37% der deutschen Bevölkerung China ablehnend gegenüberstanden, ist diese Zahl mittlerweile auf 71% gestiegen, was Verhandlungen zwischen der EU und China komplizierter mache. Obwohl Herr Wuttke auf den Abschluss eines Investitionsschutzabkommens zwischen der EU und China hoffte, bezweifelte er, dass alle 27 EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere Schweden und Tschechien, einem solchen Abkommen zustimmen würden.

Oberst (i.R.) CHEN Wei dankte den vorherigen Gastrednern für ihre Einschätzung der Situation und fragte Prof. Ischinger, ob Deutschland China eher als Partner, Wettbewerber oder systemischen Rivale sehe. Außerdem fragte er, was ein mögliches Ergebnis des EU-Gipfels zur Chinapolitik in Berlin sein könnte. Prof. Ischinger antwortete, dass alles von China abhänge, da es keine einheitliche Chinapolitik unter den EU-Mitgliedsstaaten gebe. Deutschland sei sich der gegenseitigen Abhängigkeit von China und der EU bewusst, würde sich aber nichtsdestotrotz für vertraglich vereinbarte gleiche Wettbewerbsbedingungen einsetzen. Er bedauerte in dieser Hinsicht, dass der EU-China-Gipfel wegen der COVID-19 Pandemie verschoben werden musste. Zusammenfassend empfahl Prof. Ischinger, das Gegenteil von dem zu tun, was die USA tun würden und die EU nicht als Feind anzusehen. Eine Grundvoraussetzung engerer Beziehungen sei, dass China die EU als Partner auf Augenhöhe behandeln und die Probleme in der Beziehung anerkennen müsse.

Chen bemerkte daraufhin, dass er optimistisch sei, was die Beziehung zwischen der EU und China betreffe, wenn tatsächlich alles von China abhänge. Allerdings würden die US-Wahlen Anfang November auch Einfluss auf die Beziehung haben. Diesbezüglich fragte er Prof. Ischinger, wie die Wahl die Beziehungen beeinflussen würde und wen er sich als Präsidenten wünschen würde.

Wolfgang Ischinger antwortete, dass die Spannungen zwischen China und der Trump-Regierung nicht einfach mit der Wahl Bidens verschwinden würden. Die meisten Amerikaner sähen China als Rivalen, was politische Entscheidungsträger in den Vereinigten Staaten dazu bringen würde, eine harte Haltung gegenüber China einzunehmen. Außerdem merkte er an, dass viel Vertrauen zwischen den USA und der EU in den letzten Jahren verlorengegangen ist.

Chen fragte daraufhin Jörg Wuttke, ob ein EU-China-Abkommen die Zustimmung aller EU-Mitgliedsstaaten benötige. Herr Wuttke antwortete, dass ein Land das Abkommen durchaus zunichtemachen könnte, wie es z.B. Zypern in den Europäisch-kanadischen Handelsgesprächen getan hätte. Besonders die osteuropäischen EU-Staaten seien unzufrieden mit der ansonsten vielversprechenden „Belt and Road“-Initiative. Auch fragte Wuttke, warum die europäischen Exporte nach China abnehmen und US-Exporte nach China selbst während Handelsschwierigkeiten zunehmen.

Dr. Albrecht betonte in seinen Schlussbemerkungen, dass China und Deutschland gemeinsame Probleme, wie z.B. den Klimawandel, zu bewältigen hätten und sich deshalb nicht als Gegner verstehen sollten.