Study Trip nach Äthiopien und Ghana

Addis Ababa – Accra

15. – 22. September 2019

Im Vergleich zu China, dessen Bevölkerung bis 2050 bei 1,4 Milliarden verharren wird, wird die Bevölkerung Afrikas von aktuell 1,3 Millarden auf 2,3 Milliarden anwachsen. Die damit verbundenen Herausforderungen sind enorm, aber ebenso die Chancen für den „Continent of the Century“. Zeit für Global Bridges, sich in Äthiopien (Addis Abeba) und Ghana (Accra) ein eigenes Bild vor Ort zu machen.

Es kristallisierte sich heraus, dass schnelle Industrialisierungsprozesse für beide Länder dringend notwendig sind, um einerseits Arbeitsplätze für die junge und wachsende Bevölkerung zu schaffen und andererseits mehr Wertschöpfung durch die Veredelung eigener Rohstoffe im Land zu halten („Processing Industries“ anstelle des Exports von „Cash Crops“).

Bei allen Ministerien, die Global Bridges besuchte, waren beide Themen von zentraler Bedeutung, denn Langfristziele wie z.B. wirtschaftliche Unabhängigkeit („Ghana beyond Aid“) lassen sich nur durch eine massive Industrialisierung und damit einhergehende Produktivitätssteigerung erreichen. Die Voraussetzungen hierfür – eine gute Basisinfrastruktur – werden aktuell durch unzählige chinesische Investitionen geschaffen. Beispielsweise baut China sowohl in Äthiopien als auch in Ghana Häfen (Tema Port), Eisenbahnen (Addis Abeba – Djibouti, für 3,7 Milliarden US Dollar, wovon 70 Prozent durch China finanziert werden), Autobahnen und Industrieparks.

Der Bau dieser Infrastruktur ist – bei allen finanziellen und politischen Risiken – eine große Chance für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas. Es scheint sich zu bestätigen, dass 20 Jahre chinesischer Investitionen mehr erreicht haben als 50 Jahre westlicher Entwicklungszusammenarbeit.

Äthiopien mit seinen rund 108 Millionen Menschen und 80 Ethnien ist ein postsozialistisches Land, dessen junger Premierminister (PM) Abiy Ahmed das Land vor anderthalb Jahren demokratisch geöffnet hat. So hat er unter anderem alle politischen Gefangenen aus den Gefängnissen entlassen. PM Abiy Ahmed kämpft aktuell nicht nur mit einer einbrechenden Wirtschaft, sondern mehr noch mit erheblichen ethnischen Spannungen im Land, die das Risiko einer gesellschaftlichen Spaltung und Bürgerkriegen bergen.

Die ökonomische Entwicklung wird nicht nur durch die ethnischen Spannungen mit Straßenblockaden behindert, sondern insbesondere durch die Devisenknappheit im Land. Diese manifestiert sich im Straßenbild von Addis Abeba durch eine hohe Anzahl an stillliegenden Rohbauten, die auf Devisenzuweisung für Importe für den Innenausbau warten. Zumindest die prekäre Versorgungslage mit Elektrizität wird sich verbessern, wenn der sich aktuell im Bau befindliche „Grand Ethiopian Renaissance Dam“ zeitnah ans Netz geht und das Elektrizitätsangebot Äthiopiens um rund 160 Prozent erhöht wird.

Wie aus einer anderen Welt erschien dann der Besuch in der Zentrale von Ethiopian Airlines, der größten und am schnellsten wachsenden Airline Afrikas, die als Untermehmensikone Äthiopiens gilt. Unsere Delegation erlebte ein strategisch denkendes und handelndes Unternehmen, das sich seit Jahrzehnten im Wettbewerb mit den weltweit Besten behauptet. Auch unser Besuch bei ENZI Foodwear, einem äthiopischen Schuhunternehmen, das insbesondere durch seine Verwendung von hochwertigem Leder und nachhaltige Arbeitspraktiken einen bleibenden Eindruck bei uns hinterließ.

Ghana gilt, in Bezug auf Politik und Wirtschaft, als Vorzeigeland Afrikas. Die rund 30 Millionen Einwohner leben seit rund 20 Jahren in politisch ruhigem Fahrwasser, genießen alle politischen Freiheiten und profitieren von einem seit Jahren hohen Wirtschaftswachstum, das aktuell bei 10 Prozent pro Jahr liegt.

Getrieben wird das Wirtschaftswachstum in Ghana zurzeit vom Export von Rohstoffen (Exportvolumen von rund 17 Milliarden US Dollar, also 8 Mal höher als in Äthiopien), aber auch hier ist es das strategische Ziel der Regierung, mehr Wertschöpfung im Land zu behalten und die eigenen Rohstoffe selbstständig zu veredeln. Hierzu implementiert das Ministerium für Handel und Industrie eigens die Strategie „One District one Factory“, um möglichst alle Regionen am industriellen Wachstum teilhaben zu lassen und der Landflucht vorzubeugen. Wie wir bei jedem Ministeriumsbesuch feststellen konnten, gibt es eine sehr gut ausgebildete einheimische Elite und die Investitionsanreize für ausländische Investoren sind hoch.

Trotz schwieriger makroökonomischer Rahmenbedingungen wächst sowohl in Ghana als auch in Äthiopien eine zielstrebige Generation von Unternehmern und Akteuren der Zivilgesellschaft heran. Davon konnte sich unsere Delegation bei vielen Treffen mit Start-Ups, Politikern, Journalisten, Agrarunternehmern und Firmenbesitzern selbst überzeugen.

Dieses Engagement und Unternehmertum in Kombination mit den ambitionierten Infrastrukturprojekten sind es, die auf dem afrikanischen Kontinent den Grundstein für eine positive sozio-ökonomische Entwicklung legen. Der Study Trip nach Äthiopien und Ghana hat das Verständnis innerhalb der Delegation für Entwicklungszusammenarbeit geschärft. Es ist nicht ausreichend, lediglich Symptome, wie Armut, zu bekämpfen. Viel mehr wird eine integrierte Strategie, bestehend aus Investitionen und fairen Handelsverträgen, zur Sicherung von Wohlstand für bald 2,3 Milliarden Menschen benötigt. Der Wohlstand von Nationen wurde immer durch wirtschaftliches Handeln und noch nie durch Wohltaten erzielt.

Von Tobias Knoch