Indonesia’s economic and ecological development in 2021

14. Dezember 2020

Indonesien war eines unserer Ziele für Study Trips im Jahr 2020. Aufgrund der Coronapandemie musste die Reise verschoben werden und wir konnten das Südostasiatische Land nicht besuchen. Dank unseres neuen Formates „Wir zoomen uns hin“ konnten wir aber zumindest virtuell nach Indonesien reisen. Es war uns eine Freude, den deutschen Botschafter in Indonesien, Dr. Peter Schoof, und Monica Tanuhandaru, Geschäftsführerin der Environmental Bamboo Foundation und Expertin auf dem Gebiet der indonesischen Entwicklungspolitik, zu unserer Videokonferenz über Indonesien zu begrüßen. Moderiert wurde die Veranstaltung von unserem Mitglied des Advisory Boards Dr. Peter Strüven.

Botschafter Schoof begann die Veranstaltung mit einem aufschlussreichen Überblick über das Land und seine Politik. Zu Beginn stellte er drei bemerkenswerte Parameter in Bezug auf Indonesien heraus, nämlich seine Bevölkerung, die viertgrößte Bevölkerung der Welt, seine Zusammensetzung, da es proportional den höchsten Anteil an Muslimen hat, und sein politisches System, da Indonesien die drittgrößte Demokratie der Welt ist. Auch wenn Indonesien ein „diskretes internationales Profil“ hat, wie Botschafter Schoof es formulierte, gehört das Land zu den G20-Staaten und wird 2022 als Gastgeber am Treffen teilnehmen. Er nannte zudem zwei Gründe, warum Indonesien in den internationalen Beziehungen an Profil gewinnen wird: Zum einen verlagert sich der Schwerpunkt der internationalen Beziehungen weg von den Euro-Atlantischen Beziehungen hin zu Asien und der Indo-Pazifik Region, zum anderen hat das Land ein äußerst stabiles Wirtschaftswachstum vorzuweisen.

Monica Tanuhandaru fügte hinzu, dass Indonesien als ein Land im Übergang gesehen werden müsse, das „einige Dinge ausprobieren“ müsse, um schließlich seinen Weg zu finden. „Indonesien ist ein Konsens von Ideen und weniger ein zusammenhängendes Muster“, sagte sie. Als eines ihrer Beispiele nannte sie das föderale System. Indonesien musste feststellen, dass eine dezentrale Struktur mit Befugnissen auf der lokalen Regierungsebene nicht wie erwartet funktioniert, da übergeordnete nationale Ziele nicht effektiv verfolgt werden können. Auf Basis dieser Einsicht wurde die Entscheidungsgewalt von der Distrikt- auf die Provinzebene verlagert. Zudem werden Gouverneure nun ernannt statt gewählt, was auf Widerstand in der Zivilgesellschafft stieß. Unter dem Strich sagte Frau Tanuhandaru, dass die indonesische Demokratie funktioniere, Indonesien aber mehr Zeit brauche, um sich zu entwickeln. Aus ihrer Sicht ist ein Zeitraum von 3 bis 5 Jahren für einen Entwicklungsplan viel zu kurz gegriffen und der Fokus sollte stattdessen auf die kommenden 10 bis 20 Jahre gelegt werden.

 

Die Wirtschaft – Rückgrat indonesischer Entwicklung
Die Wirtschaft ist das Rückgrat der indonesischen Entwicklung. Als größtes Mitglied von ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) ist Indonesien in der Lage, sein Wirtschaftswachstum konstant um 5 Prozent zu halten. Zudem hat die ASEAN erst kürzlich ein Freihandelsabkommen (RCEP) verabschiedet, das China und Japan einschließt und damit ein Drittel des Welthandels abdeckt. Zudem habe sich die indonesische Wirtschaft in Krisenzeiten als widerstandsfähig erwiesen, sagte Botschafter Schoof. Während der Corona-Pandemie sank das BIP nur um 1,8 Prozent, was im Vergleich zu den 5 bis 8 Prozent BIP-Rückgang in den Nachbarstaaten marginal sei. Laut Dr. Schoof beruht diese Widerstandsfähigkeit hauptsächlich auf zwei Aspekten: Zum einen ist die Wirtschaft auf Indonesien selbst fokussiert und dient dem Zweck, den heimischen Markt zu entwickeln. Dies geht einher mit protektionistischen Maßnahmen, hohen Marktzugangsbarrieren und der Kontrolle von Importen und Exporten. Zum anderen hat Indonesien 1999 ein Gesetz verabschiedet, wonach ein Haushaltsdefizit von 3 Prozent nicht überschritten werden darf, was sich bereits während der Finanzkrise 2008 als erfolgreich erwiesen hat.

Obwohl das indonesische Wirtschaftsmodell vom Erfolg verwöhnt ist, weist es auch einige Schwächen auf. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass das Land in einer sogenannten low-income-trap gefangen zu sein scheint. Infolgedessen kann die Wirtschaft keine Unternehmen mit Arbeitsplätzen für hochqualifizierte und speziell ausgebildete Menschen im Land anziehen und leidet daher unter einem Braindrain. Indonesien wolle dieses Problem durch die Verbesserung des Investitionsklimas sowie durch Investitionen in Humankapital, zum Beispiel durch ein Berufsausbildungssystem nach deutschem Vorbild, angehen, sagte Botschafter Schoof.

In der Tat hat Deutschland eine Vorbildfunktion für Indonesien, was das Berufsausbildungssystem angeht. Allerdings sieht der Botschafter auch einige Missverständnisse und einen „Mangel an Struktur“ bei der Umsetzung dieser Ausbildungen. Ein häufiges Missverständnis ist, dass der entscheidende Punkt bei einer Berufsausbildung weniger die Berufsschule ist, sondern die Verbindung zum Unternehmenssektor. Genau an diesem Punkt aber kann Deutschland Indonesien aktiv unterstützen. So erhält das zuständige indonesische Ministerium deutsche Unterstützung bei der Erstellung eines nationalen Aktionsplans. Darüber hinaus unterstützt die GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) die lokalen Regierungen beim Aufbau von Schulen und stellt die Verbindung zu lokalen Unternehmen her.

Als letzten Punkt fügte er hinzu, dass die aktuelle Situation die Wirtschaft bedroht. Das Corona-Konjunkturpaket ist sehr teuer und legt keinen Wert auf Entwicklung oder Transformation bestimmter Sektoren, sondern schützt lediglich den informellen Sektor, der etwa 60 Prozent der Arbeitskräfte ausmacht. Zugleich ist die Testrate sehr niedrig. Seit März gab es nur 3 Millionen Tests – die gleiche Anzahl wird in Deutschland innerhalb von zweieinhalb Wochen durchgeführt, sagte der Botschafter. Ein Silberstreif am Horizont ist jedoch, dass Indonesien dabei ist, einen eigenen Impfstoff zu entwickeln. Aufgrund seines Status als einkommensschwaches Land kann die Forschung durch ODA (Official Development Aid) gefördert werden. Die gegenwärtige Situation ist also ernster als dargestellt.

 

Verlegung der Hauptstadt
Ein weiteres Thema war die geplante Verlegung der Hauptstadt Jakarta. Botschafter Schoof wies jedoch darauf hin, dass es sich eigentlich um die Verlegung des Regierungssitzes handelt – ähnlich dem aus den Niederlanden oder Bolivien bekannten Modell. Aus seiner Sicht verfolgt die indonesische Regierung mit dem Umzug drei Ziele: Erstens will sie einen geografischen Ausgleich schaffen, da Java und Jakarta als bevorzugte Gebiete wahrgenommen werden. Zweitens sollen die Probleme Jakartas, insbesondere die Luftverschmutzung, gemildert werden. Schließlich soll die neue Stadt ein Designprojekt sein – ein Prototyp für eine Stadt der Zukunft. Zusätzlich erwähnte Monica Tanahandaru, dass der ganze Prozess nicht transparent sei und, dass es viel bessere Orte für die neue Stadt gäbe als Borneo. Außerdem waren sich beide Redner einig, dass das Projekt derzeit auf Eis liegt, da das Land mit der Pandemie zu kämpfen hat.

 

Die ambivalente Beziehung zu China
Im Gegensatz dazu stehen andere Dinge nicht still, wie beispielsweise die Beziehungen zu China, insbesondere was die Situation im Südchinesischen Meer betrifft. Dr. Stinner wollte wissen, welche Rolle China in Indonesien spielt und, ob Indonesien das Gefühl hat, in der Beziehung schikaniert zu werden. Frau Tanuhandaru antwortete, dass China in Indonesien nicht als „Bully“ wahrgenommen wird und dass Xi Jinping sogar von Joko Widodo, dem Präsidenten Indonesiens, dafür bewundert wird, dass er seine Ziele durchsetzen kann. Außerdem sei China ein wichtiger Wirtschaftspartner, der alles kauft, was auf dem Weltmarkt nicht verkauft werden kann, sei es wegen illegaler Förderung oder geringer Nachfrage. Ein weiterer Vorteil, den China der indonesischen Bevölkerung bietet, sind Stipendien für Studenten aus ländlichen Gegenden, um in China zu studieren. Sie fügte hinzu, dass ein Grund für den Erfolg und den kommenden Erfolg Indonesiens die blockfreie Positionierung im Kalten Krieg war. Indonesien wollte weder Teil des Ostens noch des Westens sein, was das Land unabhängig macht, aber es ermöglicht, von beiden Seiten Vorteile zu ziehen. Das, so Frau Tanuhandaru, prägt die internationale Diplomatie in Indonesien bis heute.

Botschafter Schoof stimmte dem zuvor Gesagten zu und fügte hinzu, dass die Wahrnehmung Chinas in Indonesien allerdings ambivalent sei. Einerseits sei Indonesien am Geld Chinas interessiert, andererseits gäbe es einen historischen Streit zwischen beiden Ländern und die Situation im Südchinesischen Meer schärfe das Bewusstsein für China als aggressiven Akteur.

Monica Tanuhandaru kommt allerdings zu dem Schluss, dass „Indonesien in wirtschaftlicher Hinsicht sehr eng mit China verbunden ist, sich kulturell China aber auf Distanz hält“.

 

Die Politisierung des Islam
Als Schlussbemerkung erinnerte Dr. Strüven die Teilnehmenden daran, dass es die Überzeugung gab, dass Indonesien von allen Ländern in der besten Position sei, um zu zeigen, dass es möglich ist, eine muslimische Demokratie zu schaffen. Er wollte von den Rednern wissen, ob „dieser Gedanke komplett weg ist“.

Frau Tanuhandaru stellte klar, dass die muslimische Mehrheit und insbesondere die Politisierung der Religion in der Tat ein Problem in Indonesien sei. Sie illustrierte diese Aussage mit einem Beispiel von Polizeibeamten, die muslimische Gewalt gegen religiöse Minderheiten zulassen würden, da sie von einer religiösen Mehrheit ausgeübt werde. Ein anderes Beispiel war, dass Frauen, die keinen Hijab tragen, im öffentlichen Dienst nicht befördert werden.

Indonesien verstehe sich aber als ein Land mit einer muslimischen Mehrheit, nicht als ein muslimisches Land, so Botschafter Schoof. Er fügte hinzu, dass es einen Streit um die Verfassung gab, ob Indonesien als islamische Republik oder als eine auf dem Islam basierende Republik konstituiert werden solle – der Ausweg aus dem Dilemma sei gewesen, dass das Land im Glauben an einen Gott vereint sei. Er stimmt aber auch zu, dass der Islam in der indonesischen Gesellschaft aus zwei Gründen tief verwurzelt ist. Zum einen wurde der Islam nach Indonesien importiert und hat sich im Laufe der Jahrhunderte den lokalen Traditionen angepasst. Zum anderen ist Indonesien eins der am stärksten digitalisierten Länder und religiöse Führer können in einem unkontrollierten Raum schnell sehr populär werden.