Briefing zur aktuellen Lage in Jordanien mit Botschafterin Birgitta Siefker-Eberle

28. Mai, 2020

Nachdem wir uns in die aufregende Region rundum Israel gezoomt haben, sind wir virtuell weiter ins Nachbarland gereist – über das Tote Meer in ein Land der Wüste: Jordanien.

Die deutsche Botschafterin in Amman, Birgitta Siefker-Eberle, hat in unserer Videokonferenz über die aktuelle Lage in Jordanien berichtet und wir konnten live miterleben, unter welchen strengen Auflagen das Land versucht, das Corona-Virus einzudämmen. Genau eine Stunde und fünfzehn Minuten lief unsere Videokonferenz. Anschließend mussten Frau Siefker-Eberle und ihr Fahrer rechtzeitig vor dem Erklingen der Sirenen zuhause sein, da ab 18 Uhr eine strikte Ausgangssperre herrscht.

 

„Die Straßen sind leer“ – die Corona-Situation

Seit Beginn der Pandemie hat Jordanien harte Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus ergriffen. Darunter fallen die Schließung der Außengrenzen und Flughäfen sowie strikte Ausgangssperren zur Abendstunde und am Wochenende. In öffentlichen Räumen herrscht Mundschutz- und Handschuhpflicht und Menschen dürfen ausschließlich zu Fuß oder notfalls mit dem Auto Besorgungen tätigen. Personen, die nicht zwischen 16 und 60 Jahre alt sind, ist es nicht gestattet, sich im öffentlichen Raum zu bewegen und Schulen bleiben bis zum Schuljahresende geschlossen. Wer sich nicht an die Auflagen hält, muss ein hartes Bußgeld bezahlen.
Laut Siefker-Eberle zeigen die strengen Maßnahmen Wirkung und Jordanien beklage nur eine geringe Anzahl an Corona-Fällen. Die Testanzahl sei zwar gering und die Dunkelziffer infizierter Personen ließe sich deutlich höher schätzen, dennoch stünde Jordanien im internationalen Vergleich gut dar. Zusätzlich ließen sich die bisherigen Fälle, von denen Ansteckungen ausgegangen waren, gut zurückverfolgen und es hätte bisher ausschließlich Fälle gegeben, bei denen das Virus aus dem Ausland eingeschleppt wurde.
Zur Minimierung der Corona-Krise hat die jordanische Politik drei Phasen aufgestellt: (i) die Eindämmung des Virus, (ii) Ergreifung sozialer Maßnahmen und (iii) die Förderung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Genesung.

„Wir machen aus der Krise eine Stärke“ – wirtschaftliche und politische Lage Jordaniens

Nach Einschätzungen der Weltbank wird Jordanien aufgrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr die stärkste wirtschaftliche Rezession seit 1988 erleben. Dies wird von Frau Siefker-Eberle besonders deswegen bedauert, weil das Land in den vergangenen Jahren mühsam wirtschaftliche Maßnahmen eingeführt hat, die für die arabische Region unüblich seien. Das eingeführte Einkommensteuergesetz und die Vereinheitlichung der Zölle hätten gerade begonnen ihre Wirkung zu zeigen, würden aber nun von aktuellen Ereignissen überschattet werden. Jordanien steht vor zwei Herausforderungen, die eine gefährliche Mischung für das Land darstellen könnten. Zum einen verschlechtere der Lockdown die wirtschaftliche Lage der Bürger und zum anderen provoziere die geplante Annexion Israels im Westjordanland einen Aufstand der jordanischen Bevölkerung, die größtenteils Palästinenser sind.

Laut Siefker-Eberle bemühe sich die jordanische Regierung aus der Krise neue Stärken zu ziehen. Auf wirtschaftlicher Seite wolle Jordanien seinen IT-Bereich ausbauen, medizinische Schutzkleidung herstellen und exportieren sowie den Medizintourismus ankurbeln. Auf politischer Seite bemühe man sich, Israel von einer Zwei-Staaten-Lösung zu überzeugen, denn Unruhen in Jordanien stellten auch eine Gefahr für das Nachbarland dar. Dies wird insbesondere von Israelis und Jordanier, die auf allen Ebenen des Sicherheitsbereichs tätig sind und gemeinsam sehr gute Arbeit leisten, hervorgehoben, so Siefker-Eberle.

Bilaterale Beziehung mit Deutschland und Ausblicke in die Zukunft

Jordanien ist eines der wasserärmsten Länder der Erde. Trotzdem ist Wasser extrem günstig und die Menschen rechnen ihm kaum einen Wert zu, erklärt Siefker-Eberle. In diesem Bereich ist Deutschland neben den USA der wichtigste Partner und unterstützt Jordanien beim Aufbau der Wasserbehörden und bei der Infrastruktur der Wasserversorgung. Weitere Bereiche, in denen sich Deutschland aktiv an der Förderung beteiligt, sind Berufsausbildung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die jungen Jordanier seien die größte Ressource des Landes, so Siefker-Eberle. Ihre Arbeitslosenquote liege bei 30 Prozent, obwohl sie sehr gut ausgebildet seien und vor allem im IT-Bereich einsetzbar wären.

Jordanien ist ein Land, das über wenige Rohstoffe verfügt und wirtschaftlich schwach aufgestellt ist. Trotzdem erkennt Frau Siefker-Eberle viel Potenzial, das noch nicht ausgeschöpft wird. Mit Blick in die Zukunft ließen sich vor allem die Bereiche Erneuerbare Energien, Filmproduktionen/Filmkulissen, Tourismus, Medizintourismus und der Export von Tote-Meer-Produkten ausbauen.